Montag, 5. Juli 2010

Das Verbrechen

Wenn man anfängt, einen Krimi zu schauen, dann spekuliert man immer unweigerlich, wer der Täter ist und warum.
Besonders schlimm und nervenaufreibend ist das vor allem, wenn man als Zuschauer an der kurzen Leine gehalten wird und nie mehr Informationen bekommt als die handelnden Charaktere.
Und das ganze potenziert sich natürlich dann auch noch, wenn das ganze kein TV-Krimi ala C.S.I. ist, wo fünf Fälle parallel in 45 Minuten aufgeklärt werden, weil alle Ermittler Superhirne sind, sondern realistisch handelnde und fühlende Menschen als glaubhaft Charaktere mit Fehlern, Eigenheiten, Ängsten Knotenpunkte der Handlung bilden.
Dann lässt man sich gerne mal mitreißen, verfällt den gleichen Irrtümern wie die Personen des Stücks. Ein spannendes, mitreißendes Werk in 10 Akten, dass immer wieder neu fragt "Wer ist der Täter?" und einen nicht loslassen will, weil einen diese Frage fast schon genauso quält wie all die Verwickelten. 20 Stunden hängt man so vor der Mattscheibe, verfolgt alle Spuren und Hinweisen, die "Das Verbrechen" einem hinwirft. Man glaubt sich zum Teil wissender als die Hauptfiguren und stellt dann wieder fest, dass dem nicht so ist und verfällt ganz unmerklich der Anziehungskraft dieses Krimis.
Vielleicht klingt es absurd, wenn man dabei sagt, die Handlung habe ihre Längen, wenn man die Spielzeit von 20 Stunden betrachtet, doch gleichzeitig erscheint eine ähnlich komplexe Geschichte kaum anders darstellbar, denn man nimmt sich Zeit alles sorgfältig zu entwickeln.
Dennoch... es gibt keine Serie ohne Schwächen und die Länge scheint mir irgendwo eine zu sein. Zwar wird das Verwirrspiel um den Mord an der 19-jährigen Gymnasiastin Nanna Birk Larsen recht realistisch ins Bild gesetzt, die Polizei nicht als Ansammlung von Heiligen und Genies verklärt, Politik und Presse deutlich als schmutziges Gewerbe entlarvt, aber dennoch... Man wünscht sich als Zuschauer doch manchmal, man würde sich weniger Zeit nehmen, manchmal weniger gedehnte Aufnahmen handlungsarmer Szenen zeigen, die zwar eine gewissen Sensibilität signalisieren oder bestimmte Eindrücke fokussieren, aber der Story leider etwas die Dynamik rauben. Nicht, dass man sich langweilen würde, aber man kommt nicht umhin, sich bei dem Gedanken zu ertappen, hier würde Sendezeit geschunden zugunsten einer verzögerten Verdichtung der Ereignisse. Das hätte der Krimi eigentlich nicht nötig... aber naja, über Geschmack und Stilmittel lässt sich streiten, wie man weiß...
Das Schöne ist insgesamt vor allem in der Entwicklung der Charaktere zu sehen, deren Leben sich durch den Fall verquicken und durchaus interessante Wege nehmen, auch wenn manchmal für sie nicht gerade nachvollziehbare Gründe für unglaublich dämliches Verhalten herhalten müssen...
Das Wichtigste aber ist und bleibt hierbei immer die Frage nach dem Täter und seinen Motiven. Wer ist er? Hat man ihn schon getroffen oder agiert er im Hintergrund? Ist er untergetaucht oder ist er so genial, dass er es sich leisten kann, offen umher zu spazieren, ohne je in die Verlegenheit zu kommen, verdächtigt zu werden? Fragen über Fragen, die bis kurz vor Schluss kaum zu beantworten sind, finde ich.
Und am Ende, am Ende... wo steht man da?
Die Frage ist durchaus berechtigt, denn natürlich bekommt man Lösungen präsentiert, allerdings bleibt man damit weitab von einem befriedigenden Schluss entfernt. Leider! Denn das angebotene "unhappy ending" legt das größte Manko der Serie bloß: Man fragt sich ernsthaft nach dem Sinn der ganzen Geschichte, weil irgendwie nichts die Verluste, die erlitten werden, aufwiegen kann. Kein Täter, kein geschenkter Wahlsieg, keine Entlastung von einer nicht haltlosen Verdächtigung, keine "Säuberung" der eigenen Reihen... absolut nicht wiegt dieses unbefriedigende Ende auf, bei dem jeder alles verliert, alles, was wichtig war!
Nichtmal alle Fragen sind geklärt, was man sich ja wenigstens wünschen würde, noch bietet der angebotene Ausgang ausreichende Logik, um "dem Verbrechen" (dem Mord an der Schülerin) wirkliche Tiefe und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Man steht einfach da und hätte nach 20 Stunden gehofft, dass wenigstens irgendwas wieder ins Lot kommt, wenn es schon keine vollständige, logische Klärung aller Ereignisse gibt!
Trotzdem ist der Krimi "Kommissarin Lund - das Verbrechen" alles in allem durchaus sehenswert! Wer Krimis, vielleicht sogar besonders skandinavische Fälle, liebt, wird auch die exzentrische Sara Lund und die komplexe Geschichte mögen - nur sollte man wirklich die hohe Messlatte, die der Film selbst setzt, etwas herunterschrauben und von der Auflösung nicht zu erwarten, sonst wird man womöglich - so wie ich - etwas enttäuscht sein über den Ausgang des Krimis!

Fazit:

Spannung: 4,5/5 bis auf wenige Längen äußerst spannend
Story: 3,5/5 komplex, aber unbefriedigendes Ende
Charaktere: 4/5 glaubhaft dargestellt, bis auf einzelne Ausnahmen niemals nervig, manchmal etwas übertriebene oder sinnlose Motiv
Logik: 4/5 z. T. unlogisches Ende, ungeklärte Fragen
Stil: 4/5 stimmig, manche Einstellungen und Bilder tauchen etwas zu häufig ohne Variation auf (z. B. das Rathaus)
Dialoge: 4/5 das Unausgesprochene wird gut in Szene gesetzt, vereinzelt werden Redestränge gefühlt zu früh von den Charakteren fallen gelassen
Musik: sparsam, aber gezielt eingesetzt, gut platziert, unaufdringlich, stimmig
Emotionen: 4/5 Leid und Gewalt werden nicht beschönigt, Verzweiflung, Resignation, Angst, Abstumpfung, Aggression meist realistisch dargestellt

GESAMT: 4/5

1 Kommentar:

Dara* hat gesagt…

Ich kann da nur zustimmen. Die Serie besitzt durchaus ein gewisses Suchtpotential. Man fragt sich nur manchmal, ob man nicht ein weniger realistisches "happy" end wünscht. Immerhin ist es Fernsehen, nicht das Leben. Was man der Länge zugute halten muß: sie verhindert die Oberflächlichkeit vieler Krimis.

Das könnte dich auch interessieren...

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...